Weiblichkeit ist Shakti-Kraft

Bhoga-Yoga Krefeld zu Yoga und Geist – Das ist eine Darstellung der ShaktiDas ist eine Darstellung der Shakti. Image by Sonika Agarwalu from pexels

Heute ist Weltfrauentag – ein Tag für die Gleich­berechtigung der Frau. Gerade jetzt ein sehr wichtiges Thema, denn vor allem das weibliche Geschlecht jongliert während der Pandemie neben dem Job noch mit der Kinderbetreuung, dem Homeschooling, dem Haushalt etc. Die Gleichstellung der Frau bröckelt dahin! Was hat das nun mit Yoga zu tun? Das erfährst du heute in meinem Beitrag „Weiblichkeit ist Shakti-Kraft“.

Tantra – ein leiblicher und somit weiblicher Weg

Es gibt drei große philosophische Yogarichtungen: Sāṃkhya, Vedānta und Tantra. Und auch im Yoga erfuhr das Weibliche, welches für das Leibliche – die Materie – steht, keine Gleichwertigkeit, sondern hatte darüber hinaus ein schlechtes Image. In den Traditionen Sāṃkhya und Vedānta gilt das Weibliche als Verführung, von welcher man sich durch eine asketische Lebensweise fernzuhalten pflegt. Sie streben ausschließlich den männlichen Anteil an – das reine transzendente Bewusstsein – und wollen den weiblichen Anteil – den leiblichen Körper – bezwingen oder sogar loswerden. Die Materie wird erst im Tantra wertgeschätzt. Hier sind das Weibliche (Materie) und das Männliche (Bewusstsein) zwei Seiten einer Medaille – sie sind wesensgleich und bilden eine Einheit! Dieser Artikel ist also nicht nur für die weiblichen Yogis unter euch lesenswert.

Tantra ist „Energiearbeit“

Wusstest du, dass der Tantra, der „Yoga der Energie“, die Mutter des Hatha-Yoga ist, den man „Yoga der Kraft“ nennt? Alle Hatha-Yogis praktizieren daher tantrischen Yoga. Der eher körperorientierte Hatha-Yoga ist eine Vorbereitung, denn der Körper ist das Werkzeug, welches für die feinstoffliche Praxis des Tantra vorher durch āsanas (Körperhaltungen) gestärkt und mittels kriyās/prāṇāyāmas (Reinigungs-/Atemübungen) gereinigt werden muss.

Das Herz des Tantra ist die „Energiearbeit“, denn er ist ein Weg der Energie der Shakti (auf Sanskrit Śakti), der Schöpfungskraft, die jeder in sich trägt – egal ob Mann oder Frau. Diese weibliche Energie der Shakti ist die dynamische und materielle Energie des absoluten Bewusstseins – von Shiva (auf Sanskrit Śiva). Shiva, das Absolute, ist reines Bewusstsein als statische und transzendente Energie, welche männlich ist. Beide Energien gehören unweigerlich zusammen!

Warum ohne die Shakti gar nichts läuft!

Es gibt also zwei Energien, die eins sind. Das absolute Bewusstsein (Shiva) und der Mensch brauchen jedoch als „Vermittlerin“ die Schöpfungskraft (Shakti), da sie nichts voneinander wissen. Der Mensch steckt nämlich im Alltag in seinem unruhigen Denken (auf Sanskrit vikalpa) fest. Die Shakti ist die Verbindung, die der Mensch braucht, wenn er zu seinem wahren Bewusstsein zurückkehren möchte. Das ist Shiva – der „Grund allen Seins“.

Die Shakti hat neben ihrer Funktion als „Vermittlerin“ auch die der „Schöpferin“. Shakti als „Schöpferin“, deren Energie am Schöpfungsanfang aus der reinen Bewusstseinsenergie Shivas entsteht, wird auf ihrem Erschaffungsweg immer grobstofflicher und entfernt sich mehr und mehr von ihrem Bewusstseinsursprung, von Shiva. Sie verschleiert während der Schöpfung also das wahre Bewusstsein. Auf ihrem Rückweg zum Ursprung – zum Bewusstseins Shivas – fungiert sie als „Vermittlerin“, indem sie den Schleier wieder entfernt. Nur durch Shaktis Hilfe können wir uns von dem unruhigen und unbewussten Alltagsdenken befreien und erfahren Ruhe der Gedanken und somit reines Bewusstsein (auf Sanskrit nirvikalpa) – wir haben durch sie zu Shiva zurückgefunden.

Die spirituelle Praxis – der Schlüssel zur Freiheit

Die weibliche Energie der Shakti ist die „Quelle allen Lebens“, denn Dank ihr wird alles im Kosmos ausgedrückt. Ihre Energie ist aber nur durch eine spirituelle Praxis (auf Sanskrit sādhana) erfahrbar – sie ist der Schlüssel. Allein so können wir ihre Energie entdecken und mit ihr fließen. Wir entwickeln auf diesem Übungsweg unser Bewusstsein, das führt uns zur spirituellen Vollkommenheit – zur Freiheit. Wir erkennen, dass Shiva (das Bewusstsein) und Shakti (der Körper) eine untrennbare Einheit sind, denn die Materie ist eine Verkörperung Shivas. Wir brauchen folglich beides, denn ohne einen Körper können wir keine Erfahrungen machen, d.h., wir können uns nicht entwickeln. Im Tantra heißt es daher, „ohne Śakti ist Śiva ein Śava“ (śava heißt Leichnam).

Entdecke deine weibliche Shakti-Kraft!

Die weibliche materielle Energie (der Körper) ist im Tantra das wertgeschätze Instrument für die spirituelle Praxis der Bewusstseinsentwicklung. Gebrauche diese machtvolle Kraft der Shakti – sie schlummert in jedem von uns und wartet nur darauf, erweckt zu werden! Mittels Yoga bringst du sie zum Fließen, kannst sie erfahren und bewusst handeln. Du erkennst, dass du alles bereits in dir trägst, um dein Potential – dein selbstbestimmtes wahres Selbst – zu entwickeln. Alles ist die Energie der Shakti, die du nutzen kannst – egal ob positiv oder negativ!

Konkret heißt das im Alltag…

immer mal wieder achtsam in sich und seinen Körper hinein spüren, um sich nicht im Alltagsdenken zu verlieren. Deine Sinne werden so feiner, du kannst klar reflektieren und ganz bewusst handeln, indem du Wesentliches vom Unwesentlichen unterscheidest. Also „Nein“ sagen, wenn sich etwas nicht gut für dich anfühlt. Oder klappt etwas mal nicht, versuche es gelassen mit einem Lächeln hinzunehmen. Falls es im Bereich deiner Möglichkeiten liegt, versuche es noch mal! Falls nicht, lasse es hinter dir – schaue weiter nach vorne. Das ist Freiheit, die Freude bringt, denn „Yoga ist bhoga – Freude!“


Das Shakti-Mantra „Om Śakti Om“

Um dich für die Energie der Shakti in Schwingung zu bringen, sind Mantren (heilige Silben)
im Tantra besonders geeignet, denn sie sind Energie bzw. Schwingung (ein Beitrag über Mantren folgt demnächst). Das Mantra „Om Śakti Om“ verehrt die Shakti.

Om Śakti Om

Om Śakti Om Śakti Om Śakti Om
Brahmā Śakti, Viṣṇu Śakti, Śiva Śakti Om
Om Śakti Om Śakti Om Śakti Om
Icchā Śakti, Kriyā Śakti, Jñāna Śakti Om
Om Śakti Om Śakti Om Śakti Om
Devī Śakti, Māyā Śakti, Guru Śakti Om
Om Śakti Om Śakti Om Śakti Om
Ādi Śakti, Parā Śakti, Mahā Śakti Om

Sanskritübersetzungen

  • Om – Urklang des Universums, symbolisiert das Absolute (steht oft am Beginn eines Mantras)
  • Brahmā, Viṣṇu, Śiva – Schöpfer, Erhalter, Zerstörer
  • icchā, kriyā, jñāna – Wille, Handlung, Erkenntnis
  • devī, māyā, guru – Göttin, Schöpfungskraft, jemand der die Unwissenheit beseitigt
  • ādi, parā, mahā – ursprünglich, transzendent, groß

Shakti – meine Wegbegleiterin

Der weibliche Buddha-Kopf im Bhoga-Yoga-Logo symbolisiert übrigens die Shakti als meine lebendige, bereichernde, mutige, gelassene und liebevolle (Yoga-)Wegbegleiterin!

Die Shakti ist dir ganz nah – mache dich auf den Weg und entdecke ihre Kraft, namasté!